Das Beben von München

Bekanntgabe der Entlassung Julian Nagelsmann. „Wir haben langfristig mit Julian geplant“

Am Ende ging alles fix und man hatte das Kapitel Nagelsmann abgeschlossen. Thomas Tuchel soll es nun also richten, wobei sich die Frage stellt was er richten soll? Man ist zweiter in der Liga, spielt in der CL und ist auch noch im DFB Pokal präsent, eine Situation von der andere Clubs nur träumen können, aber für die Ansprüche des FCB nicht gut genug. Als Hansi Flick damals die Brocken hinwarf, da er mit Hasan Salihamidžić anscheind einige Differenzen hatte, führten die am Ende dazu den vakanten Posten des Trainingsleiters bei der Fußballnationalmannschaft zu übernehmen.

Der Ersatz war schnell gefunden und kostete 25 Millionen Euro Ablöse, dabei war Nagelsmann in seiner Zeit bei Hoffenheim oder dem RB Leipzig nicht mal sonderlich erfolgreich aus der Ferne betrachtet. Gut, die Bayern hatten ihn schon während seiner Zeit in Hoffenheim auf dem Schirm, einen jungen Trainer mit Potenzial der, wenn man in Ruhe arbeiten läßt, bestimmt eine Mannschaft nach vorne bringt. Aber und das ist das, er war im Prinzip schon nach der letzten Saison angezählt denn, und das hatte Kahn damals bestätigt, die Leistung die das Team unter Julian Nagelsmann ablieferte, war nicht das was man sich in München vorgestellt hat denn, auch wieder Kahn, die Meisterschaft ist das absolute Minimalziel.

Andere Mannschaften haben schon als Minimalziel nicht abzusteigen und als Maximalziel einen Platz zu erreichen, der die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb ermöglicht, zu wenig für die Ansprüche der Bayern, also mußte Nagelsmann weg. Es ist die Art und Weise wie das ganze ablief, denn die Mannschaft hatte ziemlich große Schwankungen bis sie sich vom Rest absetzen und einen Neunpunktevorsprung erspielen konnte, denn sie dann auch wieder verspielte weil Punkte gegen vermeintlich schwächere Gegner liegen blieben. Von daher hat es mich gewundert die ganzen Liebesschwüre aus dem Vorstand zu vernehmen, aber so ist das „Morgens noch auf stolzen Rossen, abends durch die Brust geschossen.“ Und so wurden mal wieder Krokodilstränen vergossen wie gern man mit ihm zusammengearbeitet hat. „Langfristig geplant,“ so hieß es damals an der Säbener Straße, was in etwa soviel heißt wie, ist es in der ersten Saison nicht mindestens Meister und Pokalsieger, dazu die Champions League als Sahnehäubchen obendrauf, dann muß man schon mal anfangen sich Gedanken zu machen.

Die Geduld, das wissen alle Trainer die bei den Münchnern in der Vergangenheit angeheuert haben können ein Lied davon singen. Einen Trainer mitten in der Saison freizustellen macht man normalerweise, wenn die Mannschaft nicht den Hering vom Teller zieht und das Feuer unter dem Dach mittlerweile lichterloh brennt, so dass Panik im Vorstand ausbricht. Bayern München hat da ein Luxusproblem, dabei proftieren sie und profitierten jahrelang von der Schwäche der Liga. Würden Vereine wie Dortmund, Freiburg, Gladbach, Leverkusen oder Union Berlin konstant gute Leistungen abrufen und wären ein ernsthafter Konkurrent auf den Titel, München müßte jede Woche den Trainer entlassen. Die Münchner haben den Vorteil nicht in der Premier League, La Liga oder der Seria A spielen zu müssen. In England sind mehrere Vereine gleichberechtigt um den Titel mitzuspielen, in Spanien spielen normalerweise Madrid und Barcelona die Meisterschaft unter sich aus. Dabei gab es mal Zeiten in der Bundesliga, da sah das noch ganz anders aus.

Kinder und Jugendzeit

Niemand weiß warum ich ein Anhänger des FC Bayern wurde. Meine Eltern sagten mal meine ersten Wort wären Müller, Maier, Beckenbauer gewesen, aber ich bin nicht in Bayern und nicht mal in der Nähe von Bayern geboren und aufgewachsen sondern im Rheinland. Es gab Vereine wie den 1. FC Köln, die Borussia aus Gladbach, Lieblingsverein meiner Mutter und meines Bruders. Vereine wie Düsseldorf oder Duisburg, die zu meiner Jugendzeit unter Bernhard Dietz in Europa einen Namen hatten, den Wuppertaler SV, RW Essen, Dortmuns und Schalke. Sie alle waren in den siebziger Jahren angesagte Vereine, besonders die Schalker mit ihrem Torhüter Norbert Nigbur, hinter Sepp Maier und Wolfgang Kleff die Nummer 3 in der Nationalmannschaft.

Nein, es wurde der FC Bayern München, manchmal denke ich das kam, weil 1860 München damals in der Provinz gastierte und mein Bruder seinerzeit für Godesberg kickte und die Godesberger ein Freundschaftsspiel gegen die Münchner bestritten. Gut, das Ergebnis war nicht der Rede wert, aber mein Bruder hatte nicht nur die Unterschriften aller Spieler des TSV, sondern auch ein Autogramm mit Widmung von Petar Radenković, aber das ist reine Spekulation. Die Kölner waren auch eine feste Bank mit Flohe, Löhr und Overrath. Aber nein.

Und mal ehrlich, die Münchner verstanden es sehr früh den Fußball so zu professionalisieren, dass da zählbares bei raus kam. Nicht nur hatten sie gute Trainer, sondern auch eine hochkarätige Bank, feste Größe neben den Gladbachern in der Nationalmannschaft. Und dann kam eine Zeit, da lief es nicht mehr so und ich war so sauer, dass ich zu meiner Mutter sagte ich würde ab sofort die Gladbacher unterstützen, schließlich jubelten meine Mutter und mein Bruder mehr als ich und nicht nur das, als Bayernfan in der Diaspora mußte ich die Häme meiner Klassenkameraden ertragen, das passierte nur einem Freund, der mit seinen Eltern aus Karlsruhe kam und bekennder KSC Fan war. „Bayern und Karlsruhe…tzä, die sprechen ja nicht mal Deutsch.“

Auslöser für meinen Unmut waren die Leistungen der Münchner ab 76, wo die Bayern sang- und klanglos mit 6:1 gegen Saarbrücken untergingen und am Ende Platz 7 belegten. Gut, man kam in den UEFA Pokal, aber meine Ansprüche waren damals anders, nämlich mindestens Platz 3 oder 4 wenn es nicht zur Meisterschaft reicht. Aber der Tiefpunkt kam dann in der Saison 77/78, die schloß man mit Platz 12 ab. Meister wurden die Kölner auf Grund des besseren Torverhältnisses. Legendär war damals das Ergebnis zwischen Gladbach und Borussia Dortmund als die Gladbacher Dortmund mit 12:0 besiegten, ein Ergebnis was bis Heute Rekord ist. Otto Rehagel, Trainer der Dortmunder, bekam den Spitznamen Torhagel und wurde nach dem Spiel entlassen. Am Ende hat es dann nicht für Gladbach gereicht und Gerüchte kamen auf, dass das Spiel eventuell manipuliert wurde denn Köln und Gladbach waren Punktgleich und der hohe Sieg hätte für ein besseres Torverhältnis gesorgt.

„Von der Ersatzbank rief man uns ständig zu, wie viel Tore wir noch machen mussten, um Köln zu packen. Als es 9:0 stand und sie riefen ‚noch drei‘, habe ich geantwortet: „Habt Ihr sie nicht mehr alle?““
– Jupp Heynckes[

Aber zurück zum FC Bayern München. Damals machte man einen Trainertausch, Dettmar Cramer ging nach Frankfurt und Gyula Lóránt kam, mußte aber zum Ende der Saison seinen Platz für seinen Co-Trainer Pál Csernai. Mit ihm und dem zurückgekehrten Paul Breitner, der in Braunschweig kickte und im Rucksack Wolfgang Dremmler dabei hatte, kehrte der Erfolg an die Säbener Straße zurück. Ach ja, ein Ereignis darf man, wenn man dem FC Bayern München schon so lange folgt nicht vergessen, das 0:7 gegen Schalke 04 am 9. Spieltag vor der Kulisse des Olympiastadions. Ein tiefer Schlag für mich, denn der Spot ergoss sich am Montag in der Schule über mich.

Nibelungentreue

„Wir erwarten von ihm, dass er junge Spieler heranführt und entwickelt. Wir sind beim FC Bayern zum Erfolg verdammt, das weiß er auch.“ Oliver Kahn

Nun es gab eine Zeit beim FC Bayern da wechselte man seine Trainer nicht wie Oliver Kahn seine Unterhosen. Es heißt zwar als Trainer hat man keine hohe Lebenserwartung wenn man Übungsleiter des FC Bayern München ist, aber es gibt genügend Beispiele wo man fest auf den Trainer gebaut hat. Allerdings beginnt der Druck seit ein paar Jahren schon mit der Unterschrift. Allerdings, und das muß man so sagen, holten sich die Bayern nicht immer die idealen Trainer. Jürgen Klinsmann ist so ein Beispiel, der Wunschkandidat, mit dem man für die Zukunft planen wollte, verwandelte das Trainingsgelände erst einmal in einen Open Air Tempel. Er wollte das Ying und Yang seiner Spieler stärken und hätte wahrscheinlich die Allianzarena am liebsten nach Feng Shui ausgerichtet. Auf dem Platz allerdings war das alles wenig erfolgreich und die Bayern Bosse sahen sich gezwungen, nach dem 0:4 Debakel gegen Barcelona und dem 1:5 gegen Wolfsburg in der Bundesliga die Reißleine zu ziehen.

So gesehen hatte Nagelsmann noch Glück, das dürfte ihn allerdings jetzt auch nicht mehr trösten. Der FC Hollywood bleibt seiner Linie treu, allerdings hat sich sehr viel Falschheit eingeschlichen. Die Anfangsjahre als Kurt Landauer das Ruder als Präsident übernahm sind längst nicht mehr spürbar. Da werden Aussagen getätigt, wie die von Präsident Hainer.

„Wir haben das mit einem Fünfjahresvertrag dokumentiert, weil wir mit ihm etwas aufbauen wollen. (…) Die Trainer-Diskussion zwischendurch kam von außen, die haben nicht wir vom Zaun gebrochen.“ 

Nun war schon ein bisschen länger klar, dass unter Nagelsmann keine Verbesserung des Kaders eingetreten war. Die Leistungsschwankungen des Teams waren noch deutlicher als in der Vorsaison als man einen Robert Lewandowski in seinen Reihe hatte, der ein Spiel alleine entscheiden konnte. Man hat dann in Panik den Spielermarkt umgepflügt und den Trainer, so wie es aussieht, im Regen stehen lassen, „Hier sind die Spieler, mach was draus.“ Was dann in der letzten Woche kam das waren dicke Krokodilstränen die man sich hätte sparen können. Man wußte dch worauf man sich eingelassen hat und in meinen Augen sind weder Hainer noch Kahn und schon gar nicht Salihamidžić sind die geeigneten Leute. Nun waren schon Hoeness oder Rummenigge teilweise nicht mit Senf und Mostrich zu ertragen, aber ich denke sie hätte Nagelsmann schon nach der ersten Saison entlassen.

Viele Häuptlinge keine Indianer

Hinter den Kulissen weiß offensichtlich die Linke nicht was die Rechte macht. Ich seh, ehrlich gesagt, keine Geschlossenheit. Jeder meint er wäre Chef. Hainer ist Chef, Kahn ist Chef und Salihamidžić ist auch Chef und es scheint, als würde jeder sein eigenes Süppchen kochen. Ob die Nibelungentreue zu Katar, wo Karl-Heinz Rummenigge fadenscheinig erklärte man würde dort auch die Menschenrechte ansprechen ohne den Satz zu beenden, „wenn man uns nicht genug Geld zahlt.“ Und damit die Prinzipien über Bord geworfen hat. Den Umgang mit Kritikern, wie auf den Mitgliederversammlungen gezeigt, und damit eigentlich bewisen hat, dass die Anhänger des FC Bayern dem Vorstand am Arsch vorbeigehen. Es sind doch die Leute die jedes Wochenende in’s Stadion strömen, egal ob Bayern gegen den FC Edenkofen oder Barcelona spielt. Die hunderte von Kilometern zurücklegen um den FC Bayern spielen zu sehen, aber das, so scheint es, ist den Verantwortlichen zu provinziell. Man will Peking Ente, keine Leberkassemmel. Champagner und kein dunkles Hefeweizen vom Sponsor. Fußball ist zwar ein Millardengeschäft und für den FC Bayern München ein Millionengeschäft allerdings ist man in München Lichtjahre von seinen Anhängern entfernt und versteht nicht, dass man Erfolgreich sein kann, seine Anhänger allerdings im Blick haben muss. Es kam in der Vergangenheit schon öfter vor, dass Fans aus anderen Ländern offensichtlich nicht die Werte des Vereins teilen und es nicht damit einverstanden sind wenn der Verein für Divisität steht.

Fazit

Es geht mir schon länger so, dass mich der Erfolg oder Mißerfolg zunehmend kalt läßt und es andere Vereine, besonders kleine Vereine gibt, die für ihre Anhänger spielen. Der Trend geht zu Vereinen die von Fans gegründet wurden, zu Übernahmen von Vereinen, wie beispielsweise der italienische Club CS Lebowski, der von frustrierten Fans praktisch übernommen wurde weil sie die Arroganz ihres Vereins, des AC Florenz, nicht mehr tolerieren wollten. Hier in Irland gibt es den Cork City FC der von seinen Mitgliedern, den „Friends of the Rebel Army Society“ kurz FORAS, gemanaged wird. Und die Liste läßt sich beliebig fortsetzen. Der FC Bayern München wird weiter bestehen und es ist egal ob mich über die Erfolge freue oder nicht. Die Sympathie die ich als Kind und Jugendlicher hatte und der Wunsch für den FC Bayern zu spielen, der ist seit ein paar Jahren immer weiter geschwunden. Bald wird man noch die Schickeria im Stadion haben aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit bis sich die Mitglieder verabschieden.

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